Die Fremdsprachen-App Duolingo paketiert Aufgaben und Vokabeltraining optimiert für das Smartphone in viele kleine Häppchen, die ideal für kurze Pausen des Alltags sind. Aber kommt man damit wirklich voran? Unser Erfahrungsbericht nach anderthalb Jahren im Praxiseinsatz liefert die Antwort.
Im Frühjahr 2013 entschloss ich mich, Spanisch zu lernen. Und zwar nebenbei, in kurzen Pausen des Alltags, und ohne die typische demotivierende Mühe, die das Lernen von Fremdsprachen gewöhnlicherweise mitbringt. Meine Hoffnung: Duolingo, eine 2011 erstmals lancierte App des Captcha-Erfinders Luis van Ahn.
Die Besonderheit des Dienstes ist abgesehen davon, dass er im Gegensatz zu den meisten anderen Fremdsprachen-Tools nichts kostet, seine Häppchen-Philosophie. Anstatt auf komplexe Aufgaben, lange Vokabellisten und trockene Grammatikübungen setzt Duolingo auf Mini-Lektionen zu bestimmten Themenschwerpunkten. Diese werden direkt dem Smartphone oder in der Browser-Version erledigt und dauern jeweils kaum mehr als ein paar Minuten.
Genau dieses Konzept sprach mich an. Mir fehlt die Lust, mich nach einem anstrengenden Tag noch eine Stunde hinzusetzen und Vokabeln und Grammatik-Regeln zu büffeln. Ich wollte stattdessen gelegentlich auftauchende Warte-Momente des Alltags in Produktivzeit verwandeln, um mir in Eigenregie und auf Basis eines spielerischen Konzepts eine Sprache beizubringen. Duolingo verspricht genau dies.
Man braucht Geduld
Heute, anderthalb Jahre später, kann ich konstatieren: Das Prinzip funktioniert, aber es zieht sich hin. Zumindest in dem Takt, auf den ich mich eingepegelt habe: Ungefähr eine Lektion à circa drei Minuten pro Tag. Dass man auf diese Weise weder das praktische Sprechen lernt noch mit der Intensität an eine Sprache herangeführt wird, die etwa ein mehrwöchiger Intensivkurs garantiert, sollte klar sein. Man muss also geduldig sein und die notwendige Selbstdisziplin mitbringen, um auch wirklich jeden Tag einmal wenigstens einige kleine Duolingo-Sätze zu formen und zu übersetzen.
Ist man aber nicht in Eile hat und träumt davon, eine Fremdsprache zu lernen, ohne sich dafür gefühlt zu verausgaben, dann ist Duolingo eine gute Wahl. Mittlerweile bin ich an dem Punkt angekommen, an dem ich in Nachrichtentexten auf Spanisch 20 bis 40 Prozent des Inhalts entziffern kann. Wer mehrere Fremdsprachen gelernt hat, wird die diesem Augenblick innewohnende Magie kennen – wenn sich plötzlich eine neue Welt zu öffnen scheint, die einem bisher verborgen war.
Lesen funktioniert, Sprechen nicht
In Alltagskonversationen allerdings bleiben die größeren Erfolgserlebnisse noch aus. Ich bin gerade in Mexiko und muss das täglich neu erleben. Was das Sprechen angeht, kann eine App einfach nicht mit Konversationen zwischen Menschen konkurrieren und – zumindest aktuell – auch keine konstruktiven Grundlagen schaffen. Zurückzuführen ist dies auch auf die Tatsache, dass Duolingos Beispielsätze nicht immer Sinn ergeben oder von Lernenden in realen Szenarien eingesetzt werden können. Das erklärt sich dadurch, dass das Unternehmen das Textmaterial aus Dokumenten bezieht, zu denen es Geschäftskunden wie Buzzfeed (von Usern während des Erledigens von Aufgaben nebenbei angefertigte) Übersetzungen anbietet.
Die scheinbare Willkür und Sinnlosigkeit des Textmaterials ist auch einer der entscheidenden Kritikpunkte von Markus Witte, CEO des Berliner Duolingo-Wettbewerbers Babbel. Nach meinem Gespräch mit ihm hatte ich kurzzeitig auch die App der Hauptstädter ausprobiert. Dort aber dauert die Erledigung einzelner Übungen meist zehn Minuten. Der Zwischendurch-Effekt, den ich bei Duolingo schätze, geht so verloren. Außerdem ist mir Babbel mit zehn Euro pro Monat bei monatlicher Kündbarkeit oder 20 Euro pro Quartal in Anbetracht der Gratis-Alternative zu teuer. Wer innerhalb eines kürzeren Zeitrahmens eine neue Sprache lernen will oder gar muss, wird das sicher anders sehen.
Fazit
Wer Selbstdisziplin und Kontinuität zu den eigenen Stärken zählt und kein Problem damit, die Aneignung der Grundlagen einer neuen Fremdsprache über einen Zeitraum von vielleicht zwei Jahren zu verteilen – dafür aber weitaus weniger Lern-Frust verspürt – für den eignet sich die App.
Ein Blick auf das wöchentliche Leaderboard signalisiert mir jedoch, dass nur sehr wenige meiner Kontakte bei Duolingo auf Dauer dabei bleiben. Anfang des Jahres nahm das Startup 20 Millionen Dollar frisches Kapital auf. Geldsorgen dürfte es also nicht haben. Dennoch muss der Dienst, der seit dem Sommer auch offizielle, irgendwann vielleicht von Schulen und Bildungseinrichtungen akzeptierte Tests anbietet, noch beweisen, dass das Geschäftsmodell und die Nutzerpartizipation so miteinander in Einklang gebracht werden können, dass damit irgendwann schwarze Zahlen geschrieben werden können. /mw
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